2. Städtetour-de-Bier 2009 – Wien (Brunnenbräu)
Ein Bericht unseres Chronisten Brunnenbräu:
Im Jahre 2008 hatte sich eine Gruppe von knapp zehn Bierenthusiasten zu einer Städtetour-de-Bier in Wien getroffen – organisiert von Hans Rolf Linke und unterstützt von der Kampagne für Gutes Bier Österreich wurden mehr als ein halbes Dutzend Brauereien besucht und besichtigt, eine Verkostung typisch österreichischer Bierspezialitäten veranstaltet, und nicht zuletzt kamen auch Geschichte und Kultur nicht zu kurz.
Die Teilnehmer waren sich schnell einig: Das sollten wir wiederholen, und so kam es vom 18. bis zum 22. März 2009 zu einer Neuauflage der Städtetour-de-Bier in Wien.
Start der diesjährigen Städtetour-de-Bier war die Stadtbrauerei Schwarzenberg (Sinister: 2016 geschlossen, 2018 Umbau) in der Wiener Schellinggasse. Ab sechzehn Uhr tröpfelten die Teilnehmer nach und nach ein – großes Hallo, als wieder viele bekannte Gesichter dabei waren.
Brauer Andreas Hartl nahm sich gerne die Zeit, die zwölf Tourteilnehmer in aller Ruhe und mit viel Liebe zum Detail in seine Sudanlage und den Lagerkeller einzuweisen. Beides steht für das Publikum gut sichtbar und zugänglich mitten im Schankraum, und während des Sudes kann jedermann dem Brauer über die Schulter schauen. Natürlich gehörte auch eine Verkostung des Jungbieres aus dem Gärtank dazu – wenn auch der eine oder andere skeptische Blick der Tourteilnehmer etwas Unsicherheit ob der noch trüben „Hefebrühe“ ausdrückte.
Anschließend wandten wir uns dem ausgereiften Bier zu und genossen das kräftig herbe Helle, das runde und würzige Dunkle sowie das ausdrucksstarke Weizen. Und als Zugeständnis an die Wiener Bierkultur gab es auch noch ein „Gemischtes“ – ein Panaché aus Hellem und Dunklem. Ungewohnt für uns, aber durchaus schmackhaft. Und wenn sich auch wieder Skepsis zeigte – besser, man mischt helles und dunkles Bier als dass man Bier mit Cola, Limonade oder sonstigen Zutaten verfremdet! Die rustikale und nahrhafte Küche der Stadtbrauerei Schwarzenberg tat ihr Übriges dazu, dass der erste Abend einen erfolgreichen Einstieg in die Tour darstellte.
Der Donnerstag begann mit einer etwas längeren Bahnfahrt, die die Gruppe vor die ostwärtigen Tore der Stadt führte, nach Untersiebenbrunn. Manfred Bauer hat sich hier in den Jahren 2003 und 2004 einen Traum erfüllt und eine kleine Brauerei, das Marchfelder Storchenbräu aus dem Nichts geschaffen. Ohne auf einer gewachsenen Tradition aufzubauen und vor allem ohne Gastronomiebetrieb, das heißt, nicht als Gasthausbrauerei, sondern als Brauerei, die in Flaschen und Fässern liefert, war das sicherlich ein mutiges Unterfangen – aber ein erfolgreiches, wie wir heute sahen.
Mit viel Begeisterung zeigte uns Manfred Bauer die Sudanlage, die Lagertanks und die sonstigen Gegebenheiten der Brauerei – eine übersichtliche und zweckmäßige Blockanlage mit integrierten, festen Leitungen und einer Lagerkapazität von 160 hl. Neben verschiedenen Sorten Bier (Märzen, Pils, Bio-Bier, heller und dunkler Bock, Weizen) werden hier auch Alcopops und Limonaden hergestellt und – wie das Bier auch – auf einer eigenen Anlage abgefüllt, und an einer anderen Stätte stellt Manfred Bauer auch verschiedene Bier- und Obstbrände her.
Wie er uns bei der anschließenden Bierverkostung und leckeren Brotzeit erzählte, platzt die gerade erst sechs Jahre alte Halle aus allen Nähten, und es gibt schon Pläne, einen Neubau im gleichen Dorf, aber an anderer Stelle zu errichten – dann aber mit genügend Platz, um bei Bedarf die Kapazität noch weiter ausbauen zu können.
Manfred Bauers Begeisterung für seine Brauerei begleitete uns in Gedanken noch ein Stück des Weges, als wir uns wieder in Richtung S-Bahn trollten. Während wir an dem einsamen Haltepunkt Untersiebenbrunn im Schneetreiben auf den Zug warteten, wirkte es immer noch ein wenig unwirklich, dass wir ausgerechnet hier, am gefühlten Ende der Welt, in einem mit Verlaub völlig verschlafenen Dörfchen auf eine so erfolgreiche, aufstrebende Brauerei gestoßen sind.
Der frühe Nachmittag bot uns nun ein kleines Zeitfenster, individuellen Interessen nachzugehen, und während es einen Teil der Gruppe nach Kaffee und Kuchen dürstete, drängte ein harter Kern, die Gasthausbrauereiszene Wiens auf eigene Faust weiter zu erkunden. Wir fuhren also ins Einkaufszentrum Brigitta-Passage, um das Brigitta-Bräu (Sinister: 2011 geschlossen) zu besuchen.
Welch herbe Enttäuschung. Die zwar hübsche junge Dame, die hier bediente, zeigte sich kurz angebunden und uninteressiert am Umsatz und servierte uns lustlos jedem ein Glas des hier gebrauten Bieres, eines sehr blumig riechenden und etwas unausgewogen, fast schon leicht dumpf schmeckenden Hellen. Trotz groß beschrifteter Schiefertafeln, die Anderes versprachen, gab es keine weiteren Sorten zu verkosten, weder das Dunkle, noch das Weizen oder das Bockbier, und der doch ein wenig schmuddelig wirkende Zustand der Brauanlage versprach auch nicht wirklich, dass sich daran bald etwas ändern würde. Irgendwie konnten wir uns des Eindrucks nicht erwehren, dass hier hinter den Kulissen schon längst die Entscheidung gefallen war, die Brauerei zu schließen und den Gastbetrieb langsam auslaufen zu lassen. Verstohlen sahen wir uns um, ob entsprechende Mitteilungen schon in den Fenstern hingen.
Ob der Eindruck trog oder nicht – wir werden versuchen, es im Internet zu verfolgen.
Nach diesem etwas frustrierenden Erlebnis waren wir fast nicht mehr motiviert, auf dem Wege per U-Bahn auch noch im Brauhaus The Highlander vorbeizuschauen, aber wir rissen uns zusammen…
Zum Glück!
Welch ein Gegensatz zur vorherigen Lokation! Eine junge, gut gelaunte und hübsche Dame bot an, die hier auf dem kleinen 5 hl Sudwerk produzierten vier Biere in zweckmäßiger Reihenfolge und in kleinen Gläsern auszuschenken – vom milden zum kräftigen Bier, so dass wir auch sorgfältig verkosten konnten. Vom Lager über das Weizen und das Märzen bis zum Stout sollte die geschmackliche Reise gehen.
Frohgemut begannen wir, aber schnell wurden wir ein wenig nachdenklich ob des wunderlichen, aber nicht unangenehmen Geschmacks des Lagers – und sofort hub wilde Spekulation an: „Das ist der Hopfen!“ – „Seltsame Hefe verwendet!“ – „Vielleicht ein bisschen umgeschlagen?“
Des Rätsels Lösung war viel einfacher. Mit einem liebenswerten Lächeln kam die Bedienung und sagte: „Ich glaube, ich habe mich verzapft – das war das Weizen!“
Nachdem wir dergestalt wieder auf den Boden der Realität zurückgeholt worden waren, wollten wir natürlich mehr über das Bier wissen, und bekamen angeboten: „Ich rufe einfach den Chef an. Der ist hier in der Nähe, der kommt bestimmt gerne vorbei und erklärt Ihnen alles!“ Und genau so war es: Kaum fünf Minuten später stand Ulrich Schneider, der Brauer, vor uns. Wir unterhielten uns angeregt und freuten uns, dass hier jemand vor uns stand, der dem Brauen realistisch begegnete. Er mache kein großes Hokuspokus, sondern braue einfach nach den Rezepten, die ihm schmeckten. Und natürlich sei er sich dessen bewusst, dass bei geringerem Konsum das Bier im Lagertank langsam weiterreife und so stetig seinen Charakter leicht verändere. Aber das sei ja gerade das Schöne an seiner kleinen Gasthausbrauerei, dass der Kunde Bier wieder als ein lebendiges Naturprodukt kennenlerne.
Was konnten wir anderes, als Ulrich aus vollstem Herzen zuzustimmen – die gerade getrunkenen Biere (vielleicht mit Ausnahme des Stout, das ein kleines Bisschen unharmonisch wirkte und noch nicht ganz ausgereift schien – obwohl es durchaus schon gut schmeckte) hatten ja mit ihrem wunderbaren und individuellen Geschmack kräftig zu dieser Überzeugung beigetragen! Und die Gäste am Nachbartisch sahen es wohl genauso, denn im Nu waren wir mit ihnen in eine fröhliche Bierdiskussion verwickelt und begannen, die Wiener Bierszene von allen Seiten zu beleuchten.
Die Zeit verflog, und wir waren mittlerweile völlig aus unserem Zeitplan herausgefallen… Im Wieden Bräu saßen die anderen schon seit einer Stunde und warteten auf uns, Kaffee und Kuchen waren schon lange vorbei…
Wir eilten durch die Stadt und kamen natürlich zu spät zur Brauereibesichtigung, die der junge Brauer, Herr Czernich, durchgeführt hatte. Aber noch nicht zu spät, um eine leckere Kleinigkeit (jedenfalls hatte die junge Dame, die uns bediente, die riesigen Portionen als „Kleinigkeit“ bezeichnet…) zu essen und die fünf angebotenen Bierspezialitäten zu verkosten: Märzen, Osterbier, Hell, Alt und Dunkel. Wenn auch das Alt viel zu hell und damit nicht ganz stilecht war, waren doch alle fünf Biere lecker und interessant. Schade nur, dass wir so schnell trinken mussten und wenig Zeit für ausgiebigen Genuss blieb…
…denn inzwischen waren die anderen schon vorausgefahren zur berühmten Bierkneipe Känguruh, wo Britta Dolenc und Dietmar Eder von der Kampagne für Gutes Bier Österreich mit einer Bockbierverkostung schon auf uns warteten.
Als wir endlich nachkamen, konnte es beginnen. Sieben interessante, individuelle und charaktervolle Bockbiere warteten auf uns. Vom blumigen, fast schon parfümartigen Weihnachtsbock über einen runden, fruchtigen Weizenbock oder ein Tripel mit belgischem Charakter bis hin zum wohl berühmtesten Bockbier, dem Samichlaus mit 14% Alkohol, war alles vertreten – Dietmar und Britta erläuterten uns die verschiedenen Biere und freuten sich mit uns über die Vielfalt der Aromen und Geschmackserlebnisse.
Wir waren dicht dran an unserer individuellen Belastungsgrenze, als wir den heutigen Tag nach insgesamt 25 verkosteten Bieren, vier Brauereien und einer Bierkneipe beendeten …
Der Freitag sah uns gleichwohl wieder in alter Frische. Der strahlende Sonnenschein und der frische Wind taten ihr Übriges, uns wieder wach zu rütteln.
Erste Station war heute das Wirtschaftsmuseum, in dem uns das Mitglied der Kampagne für Gutes Bier Österreich, Herr Gerhard Halusa, eine Führung bot, die Ihresgleichen sucht. Gerhard Halusa ging mit uns auf eine Zeitreise zurück ins alte Wien vor über hundert Jahren, in die „Gute, alte Zeit“, und er bewies uns, dass sie so gut wohl gar nicht war und viele Dinge in Verklärung falsch wahrgenommen werden. Interessante Ausstellungsstücke und farbige, fast schon drastische Schilderungen ließen uns am Leid und Elend der Arbeiterklasse vor hundert Jahren teilhaben.
Für die Interessierten unter uns wartete dann noch ein Kaffeemuseum im gleichen Gebäude auf uns (die Ausstellung nennt sich nicht ohne Humor „Kaffee Kompetenz Zentrum“) und eine Sonderausstellung über Dr. Carl Auer von Welsbach, den berühmten Wiener Sohn, Erfinder, Naturwissenschaftler und Gründer der Firma „Osram“.
Mittlerweile war der Vormittag schon weit vorangeschritten, und so schritten auch wir – nämlich durch den Park von Schloss Schönbrunn, zum Eichhörnchen füttern. Nun, das war zwar nicht sehr bierbezogen, kam aber beim weiblichen Teil unserer Gruppe gleichwohl hervorragend an.
Es hatten aber nun nicht nur die Eichhörnchen Hunger, sondern die Brauer und Bierfanatiker ebenfalls – und so kehrten wir im Brandauer´s Schlossbräu zum Mittagessen ein. Der Name „Schlossbräu“ ist ein wenig irreführend, denn hier wird gar nicht selber gebraut. Thomas Brandauer betreibt insgesamt vier Biergaststätten in Wien, für die er bei der Brau Union Österreich ein Hausbier produzieren lässt. Und daneben bietet er immerhin die stolze Zahl von sieben weiteren gepflegten Fassbieren an. Wir waren also nicht unzufrieden und kosteten uns durch die Reihe der Biere, vom Hausbier über das Zwickel, das Original und das Dunkle der Zwettler Brauerei, aber auch die Puntigamer Brauerei mit ihrem Panther und Gösser mit der Spezialabfüllung waren vertreten.
Der Zufall wollte es, dass wir auch mit Thomas Brandauer selbst ins Gespräch kamen – durch unsere Fahne mit dem Logo der Vereinigung der Haus- und Hobbybrauer Deutschlands e.V. auf uns aufmerksam geworden, lud er uns für den nächsten Tag in sein Lokal „Brandauer‘s Bierbögen“ ein und „köderte“ uns zusätzlich mit dem Versprechen, jedem ein Glas mit den Logo dieses gerade erst frisch eröffneten Lokals zu schenken.
Wir nahmen das Angebot gerne an und fügten unserem Programm für Sonnabend eine weitere Station hinzu – der freie Nachmittag fiel dem zum Opfer…
Nachdem wir die herrliche Atmosphäre im klassisch-schön geschmückten Schlossbräu ausgiebig genossen hatten und uns lang genug mit dem freundlich-frechen Kellner geneckt hatten, fuhren wir zum Mariahilfer Bräu in der gleichnamigen Straße im gleichnamigen Stadtbezirk. Auch hier keine echte Brauerei, aber ein Hausbier (origineller Weise natürlich auch „Mariahilfer“ genannt…), serviert in netter Atmosphäre. Hier trafen wir auch wieder auf Britta Dolenc und Dietmar Eder von der KGBier, die für den Rest des Tages nun auch die Führung übernahmen.
Nach der Verkostung des Mariahilfer und der hier ebenfalls angebotenen Paracelsus der Stieglbrauerei liefen wir durch die Gassen zum Bauernbräu im Arik-Brauer-Haus. Das durch seine Architektur und seinen Stil berühmte Gebäude beherbergt im Innern eine Bierbar, in der ein Bier aus der Steiermark ausgeschenkt wird – drei interessante Sorten, das „Hausbier“, das „Bauernbier“ und „Das Dunkle“. Jedes für sich interessant, wenn wir uns auch ein wenig unsicher waren, welchem Stil wir das jeweilige Bier zuordnen sollten. Alle drei Biere wirkten, als hätte der Brauer „einfach drauflos gebraut“ – aber wir wollen dies nicht negativ sehen, denn geschmeckt haben die Produkte unzweifelhaft! Und darauf kommt es an.
Die nächste Station war die Feuerstein-Bar, ein kleines und gemütliches Biercafé, das wir mit 14 Personen ziemlich füllten. Drei interessante Kärntner Biere, und zwar das „Schnaitl“, das „Villacher Zwickel“ und das „Piestinger Schneeberglandbier“ – letzteres mit Sicherheit Kandidat für die Kür zum Bier mit dem poetischsten Namen unserer Tour.
Den Abschluss für den heutigen Tag bildete das 7 Stern Bräu in der gleichnamigen Gasse. Hier hatten wir im letzten Jahr unsere Tour mit einer detaillierten Brauereibesichtigung begonnen, so dass wir uns in diesem Jahr auf das Verkosten und das leckere Essen konzentrieren konnten. Der Name Siebenstern ist Programm, und so kämpften wir uns durch sieben verschiedene Biere: Osterbock, Bamberger Rauchbier, Märzen, Prager Dunkles, Hanfbier und Chilibier. Gerade die letzten beiden Biere verdienen gesonderte Erwähnung. Das Hanfbier, weil es im Gegensatz zu vielen anderen Hanfbieren nicht zu blumig und fast schon parfümiert wirkt, sondern einen kräftigen, herben und gleichzeitig sanft hanfaromatischen Geschmack hat. Sehr ausgewogen. Und das Chilibier, weil es einfach die Krönung des Abends darstellte. Richtig schön scharf. Gerade an der Grenze dessen, was noch „schön scharf“ und gerade noch nicht „zu scharf“ ist. Ein waghalsiger Balanceakt am Rande des Zumutbaren, den der Brauer aber offensichtlich souverän beherrscht. Neben der Schärfe blieb noch Raum für ein feines Chiliaroma – was will man mehr?
Bis Mitternacht hockten wir hier fest. Die Gespräche mäandrierten durch die Welt des Bieres, durch die Wiener, die Österreicher, die deutsche und durch die globale Bierszene – naturwissenschaftlich exakt oder eher pragmatisch rustikal – vom temperaturabhängigen Isomerisierungsgrad der α-Säure bis zur Menge des trinkbaren Bieres pro Person und Zeiteinheit waren alle Themen vertreten und die Zeit verflog im Nu.
Für den Sonnabend hatte die Reiseleitung in Person des Hans Rolf Linke ein Erbarmen und setzte den ersten Treffpunkt erst um elf Uhr an. So konnten wir doch ein wenig ausschlafen und uns erholen, bevor wir uns aufmachten zum Christian Eipeltauer (Sinister: 2009 geschlossen).
Wäre der Ausdruck durch die Boulevard-Presse nicht schon so arg abgenutzt, würde ich nun von einem „Urgestein“ sprechen – wie anders soll man den die Energie, den Elan und den nicht zu stoppenden Humor des Christian Eipeltauer beschreiben? Er hatte uns bereits bei der letzten Tour 2008 geradezu überrollt mit seinem Schwung und seiner Begeisterung, und bereits da war klar gewesen, dass wir hier wieder herkommen würden.
Und auch heute wieder riss er uns mit, zeigte, was er seit letztem Jahr alles umgebaut hat, servierte uns eine leckere Brotzeit und ließ uns seine Bierspezialitäten verkosten: Ein leckeres Märzen, ein bombiges Vienna Bitter Ale und ein experimentierfreudiges Zimtbier. Zwischendurch lustige Sprüche und Geschichten vom letzen Konzert und Christians sonstigen Aktivitäten. Seien es die wöchentlichen Livekonzerte, die jeden Donnerstag Abend hier stattfinden und enorm davon profitieren, dass hier im Industriegebiet keine Anwohner sind, die sich von der Musik und dem Geschrei gestört fühlen könnten, oder seien es Events wie der Bierbus, als Christian Eipeltauer einen Bus der städtischen Linien mit Schankanlage ausstattete, Livemusik an Bord organisierte und kreuz und quer durch Wien tourte.
Immer unter Dampf, immer voller neuer Ideen – für uns ist der Eipeltauer eine Erlebnisbrauerei vom Feinsten. Und unausgesprochen war klar: Sollte es 2010 wieder zu einer Städtetour de Bier nach Wien kommen, diese Station gilt als gesetzt. Vielleicht sogar auf den Donnerstag Abend, um beim Konzert dabei sein zu können?
Uns schwirrte noch der Kopf, als wir die wenigen hundert Meter zu den Brandauer´s Bierbögen liefen. Hier fanden wir ein wenig Ruhe (die auch dringend nötig war), leckere Biere, interessante Gespräche, reichlich Süßspeisen (die Palatschinken waren eine Wucht) und eine beeindruckende Innenarchitektur, die in die achtzehn Meter hohen Bögen, auf denen die Schnellbahn fährt, geschmackvoll eingepasst ist – moderne Designelemente und Farben sind kombiniert mit dem alten Originalgemäuer und laden das Auge zum Umherwandern ein. Wobei unsere Augen immer an dem eindrucksvollen Bierregal verweilten – anderswo findet man den Brockhaus oder Mayer’s Konversationslexikon, hier stehen Bierflaschen in ähnlicher Präsentation aufgereiht…
Zum Abschluss löste Thomas Brandauer, der zwar nicht vor Ort sein konnte, aber sein freundliches und schnelles Personal entsprechend informiert hatte, sein Versprechen ein und schenkte jedem von uns ein Glas mit dem Brandauer Logo.
Bis zum Abendprogramm hatten wir nun wieder etwas Zeit, individuell etwas zu unternehmen, und kamen auf die Idee, mit der Straßenbahn nach Grinzing zu fahren. Nein, natürlich nicht zu den Heurigen, wie der geneigte Leser jetzt meinen mag… Nein, hier gibt es eine Wirtschaft, das Grinzinger Bräu (Sinister: Status 2018 – dauerhaft geschlossen), das drei eigene Biere ausschenkt, die zwar nicht im Lokal selbst gebraut werden (die kleine Sudanlage, die im Eingangsbereich der Wirtschaft steht, hat leider nur musealen Charakter und ist außer Betrieb), aber echte Hausbiere sind.
Wir setzten uns an einen großen Tisch (denn aus der individuellen Unternehmung hatte sich ergeben, dass doch die ganze Gruppe hier hochgefahren war) und freuten uns daran, dass in eben diesen Tisch eine Zapfanlage mit Zählwerk eingebaut war, mithilfe derer wir unser Bier selber hätten zapfen können. Da wir aber so viel Zeit nun auch nicht mitgebracht hatten und auch lieber die Sortenvielfalt genießen wollten, statt ein einziges Bier in größeren Mengen zu trinken, ließen wir diese Chance ungenutzt verstreichen – sehr zum Bedauern des einen oder anderen.
Trotzdem war es ein nahrhafter und durststillender Nachmittag. Obwohl, hatte wirklich noch jemand Durst? Oder war es doch nur wieder das unstillbare Verlangen nach weiteren, interessanten Biererlebnissen?
Die letzte Station für heute, das Kadlez-Bräu (Sinister: gechlossen 2014), begann mit einer leichten Verspätung – die Fahrerei mit Straßen- und U-Bahn dauerte doch ein wenig länger als vorgesehen. Kaum hatten wir aber Platz genommen, kam ein junger Mann zu uns an den Tisch: „Grüß Gott! Ich bin der Christian Schneider. Wenn’s Bier schmeckt, bin ich verantwortlich, wenn nicht, dann such‘ ich den Fehler in der Anlage!“
Und mit der gleichen Fröhlichkeit und dem gleichen Humor begleitete uns Christian nun den ganzen Abend. Er zeigte uns alle Details seiner Brauerei, erzählte uns über die Geschichte des Betriebes, die Herkunft des Namens „Kadlez“ und seine Pläne, die Brauerei weiter zu entwickeln. Unter dem Motto „Bier 21“ hat Christian persönlich einen neuen Markenauftritt kreiert, der uns in Bezug auf grafische Gestaltung und Farbgebung überzeugt hat. Dezente Eleganz, gedeckte, aber trotzdem nicht altbacken wirkende Farben – sehr ansprechend!
Und auch zu jedem seiner Biere wusste Christian Schneider etwas zu erzählen, ob es nun das Zwickel, das Pils oder das Alt-Wiener Märzen war. Krönung war dann die Verkostung eines Bockbieres aus dem Vorjahr, von dem Christian noch einige, wenige Liter für wahre Bierkenner in der Hinterhand hatte – ein brauner Bock mit Lakritz- und Schwarze-Johannisbeer-Aromen, der förmlich über die Zunge schmolz.
Britta und Dietmar von der „Kampagne für Gutes Bier“ waren inzwischen wieder zu uns gestoßen, und so verging der Abend bei Fachsimpeleien, bis uns die letzte Straßen- und U-Bahn vor der Nase weggefahren war und wir mit dem Taxi zurück ins Hotel mussten. Aber diesen zusätzlichen Preis war uns der Abend heute wert gewesen – unterhaltsam, lehrreich und nahrhaft.
Offiziell hatte damit die diesjährige Städtetour-de-Bier ihr Ende gefunden. Inoffiziell trafen sich diejenigen, deren Flieger erst am späteren Nachmittag ging, noch zum Frühschoppen im Bierfink in Ottakring, direkt neben der Brauerei, und ließen die vergangenen Tage bei einem Abschlussbier noch einmal Revue passieren.
Wien – eine Stadt, die man aus deutscher Perspektive nicht zuallererst als Biermetropole identifizieren würde. Aber auch die diesjährige Städtetour-de-Bier hat wieder bewiesen, dass sich hinter den Mauern dieser vordergründig eher dem Wein zugewandten Stadt einzigartige Kleinodien der Braukunst finden lassen und in den kleinen Gassen und Kneipen eine Bierkultur lebt, die in ihrer Vielfalt und Farbigkeit, in ihrer Experimentierfreude und Unvoreingenommenheit durchaus vorbildlich genannt werden kann.
Also, auf ein Neues in 2010?
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